Nach einer gehörigen Mütze Schlaf frühstücken wir seit langer Zeit mal wieder schaukelfrei. Währenddessen organisiert Götz seinen Rückflug. Er kann morgen Vormittag tatsächlich einen halbwegs erschwinglichen Lift nach Festlandseuropa ergattern. Allerdings müsste er dann schon morgen früh vor Tagesanlicht ein Taxi nehmen, um rechtzeitig am Flughafen einzutreffen. Er entschließt sich daher, lieber heute schon das Schiff zu verlasen und die Nacht in einem Hotel direkt neben dem Flughafen zu verbringen. Am Sonntagnachmittag wird dann Robert auf dem Flughafen eintreffen, der mich auf der Etappe von Horta nach Portugal begleiten will.
Mittlerweile nehme ich per Sprechfunk Kontakt mit den Hafenbehörden auf. Wir müssen einklarieren, einen Liegeplatz im Hafen bekommen und tanken. Von unserem Ankerplatz können wir den Anlegeplatz vor dem Marinabüro sehen. Dort liegt noch ein anderes Schiff. Als das ablegt, wollen wir den Anker aufholen und dort anlegen. Als die Ankerkette kurzstag kommt, sich also strafft, um nun den Anker anzuheben, stoppt die Ankerwinde, der Bug neigt sich fast unmerklich nach unten, schließlich springt der Sicherungsautomat raus. Was ist das denn? Hängt etwa der Anker fest? Hakt der Anker an einem Stein, hilft es meist, vorwärts zu fahren, den Anker vom Hindernis zu lösen und dann aufzuholen. Also fahre ich vorwärts über das "Hindernis" hinweg. Der Anker kommt nicht frei. Ich fahre kreuz und quer, um den Anker irgendwie zu lösen - ohne Erfolg. Ich erinnere mich dunkel, dass in der Navily-App ein Kommentar sinngemäß besagte: "Vorsicht beim Ankern im Hafen! Der Grund ist unrein, es liegt eine Menge Schrott da unten." Da haben wir den Salat.
Aus eigener Kraft kommen wir offensichtlich nicht frei. Bei fünf bis sechs Metern Wassertiefe kann ich sicher nicht im trüben Hafenbecken selbst tauchen, um zu sehen, was da unten los ist. Es muss ein Profi ran. Ich funke mit der Hafenmeisterei. Der Mann verspricht Hilfe, man will einen Taucher organisieren. Kurze Zeit darauf kündigt er an, dass eine Taucherfirma sich bei mir per Handy melden wird. Das passiert auch tatsächlich. Heute klappt's leider nicht mehr, aber morgen - wahrscheinlich. Als erstes erhalte ich per E-Mail einen Kostenvoranschlag. Um die dreihundert Euronen. Schluck. Na gut, hilft ja nichts. Ich bestätige. Die freundliche Dame will in Kürze Details mitteilen.
Nächste Maßnahme: Beide kleinen Vorsegel sind kaputt. Bevor ich zur nächsten Etappe aufbreche, muss mindestens eins davon repariert sein. Im Internet finde ich einen Segelmacher, der verspricht, auch außerhalb der normalen Öffnungszeitenund am Wochenende tätig zu werden. Das sei er gewohnt, wenn Atlantiksegler in den Hafen kommen, muss es manchmal schnell gehen. So auch bei uns. Ich nehme Kontakt auf. Die Dame bittet mich, kurz Bescheid zu geben, wann und wo sie die Segel abholen können. Die Kosten können sie erst abschätzen, wenn sie die Schäden an den Segeln gesehen haben.
Inzwischen bedauert die Dame der Taucherfirma, dass heute definitiv nichts mehr geht. Sie brauchen erst die Genehmigung der Hafenbehörde für den Tauchgang, und die Mühlen der Ämter mahlen hier langsam.
Angesichts der Tatsache, dass wir so schnell nicht von unserem Ankerplatz wegkommen, frage ich beim Hafenmeister nach, ob sie Götz mit einem Boot abholen können. Ansonsten müssten wir extra für diesen kurzen Einsatz unser Schlauchboot aufpumpen. Kein Problem, sie schicken ein Shuttle-Boot vorbei. Götz sucht seine Siebensachen zusammen, packt Reisetasche und Rucksack. Gerade als er fertig ist, legt ein RIB (Schlauchboot mit festem Boden) bei uns an. Der junge Mann hilft Götz beim Annehmen des Gepäcks, ganz kurzer Abschied, dann sind die beiden weg. Das ging jetzt aber sehr schnell. Zu schnell, finde ich. Trennungsschmerz?
Ich überlege, was ich ohne Landkontakt noch erledigen kann. Inzwischen ist später Nachmittag. Ich bereite etwas Essbares zu und spanne einfach aus - die letzte Nacht war kurz genug.