Frühstück in der Ankerbucht vor Ferrol

Frühstück vor Anker bei Ferrol

Montag, 18. Oktober 2021

Am Morgen lassen wir es ruhig angehen und frühstücken ausführlich. Die Bucht wird bei Niedrigwasser von den Einheimischen nach Muscheln durchkämmt. Dabei unterhalten Sie sich laut und deutlich.
Der Yachthafen von Ferrol bietet nicht unbedingt optimale Bedingungen. Deshalb beschließen wir, lieber nach A Coruña zu gehen. Wir gehen Anker auf. Oh Schreck: Der Bolzen, der Ankerwirbel und -kette verbindet, hängt halb heraus. Oh Glück: Der Anker ist noch dran. Frans hatte von anderen seiner Kunden erzählt, die weniger Glück hatten, deren Anker war futsch. Weil ich aber zunächst Kurs aus der Bucht heraus aufnehmen muss, gehe ich ans Ruder. Kurz danach, als ich auf das Vorschiff komme, ist der Bolzen weg. Und diesmal ohne Glück, dass er irgendwo noch an Deck läge. Okay, wir haben schon soviel Glück gehabt, da muss man auch mal einstecken können.

Rathaus von A Coruña

Rathaus von A Coruña

Der enge Fjord von Ferrol hat Wehrfestungen auf beiden Seiten. Als wir damals mit dem Kreuzfahrtschiff ausgelaufen sind, hat ein historisch uniformiertes Männchen sich dort wie Rumpelstielzchen aufgeführt und Kanonen auf uns abgefeuert - als Belustigung der Gäste, vermutlich organisiert von der Stadt Ferrol. Heute bleibt alles ruhig, schade.
Wir motoren quer über die Bucht zum Hafen von A Coruña. Dort angekommen, tanken wir erst einmal. Immerhin hat die Tankfüllung vom Ijsselmeer bis hierher gereicht, und zwar obwohl wir viel motort sind. Meine Hoffnung, hier zum günstigsten Preis auf dem europäischen Teil der Reise zu tanken, hat sich tatsächlich erfüllt. Trotzdem muss die VISA-Karte 600 Euro blechen.
Der Marinero und Tankwart spricht erstaunlich gut Englisch. Er ist aber Franzose und hat sofort unseren Schiffsnamen richtig übersetzt.
Der abendliche Stadtbummel zeigt: Schön hier!

Wasserfront von A Coruña mit Karussell

Wasserfront von A Coruña mit Karussell

Dienstag, 19. Oktober 2021

Nach dem Frühstück machen wir uns mit unseren Klapprollern auf den Weg zum Bahnhof. Wir wollen nach Santiago de Compostela. Die Zugfahrt dauert nur eine halbe Stunde - der Weg zum Bahnhof allerdings auch. Wir können theoretisch zwei Züge erreichen: einen früheren, wenn wir uns beeilen, oder einen etwas späteren, wenn wir es ruhig angehen lassen. 

Unterwegs mit dem Klapproller

Unterwegs mit dem Klapproller

Unterwegs packt uns der Ehrgeiz, wir schaffen den früheren! Auf dem Bahnhof angekommen eilen wir zum Fahrkartenautomaten. Das geht schneller als am Schalter. Allerdings verlangt der Automat eine vollständige Identifizierung mit Handynummer, Schuhgröße, Konfektionsgröße, Haarfarbe... Quatsch, aber wir müssen viel eintippen, tatsächlich auch die Handynummer. Das dauert. Noch drei Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Endlich: Fahrkarten werden gedruckt. Jetzt schnell zum Bahnsteig! Die Security-Leute in der Bahnhofshalle zeigen auf den Zug am hintersten Gleis - der gerade anfährt, ohne uns! So ein Mist. Der Security-Mann sagt: "Tauscht die Fahrkarte am Schalter um!".

Kathedrale von Santiago mit erschöpften, aber glücklichen Pilgern

Kathedrale von Santiago mit erschöpften, aber überglücklichen Pilgern

Am Schalter steht eine Warteschlange. Die Kundin vorn am Schalter hat eine mittlere Ewigkeit mit dem Bahnmenschen zu diskutieren. Als wir nach gefühlt einer Viertelstunde endlich vor der Scheibe stehen, entgegnet der Mann am Schalter:
"Umtauschen geht nicht. Sie müssen neue Fahrkarten kaufen."
"Aber der Security-Mann sagte, wir können umtauschen..."
"Ich habe hier das Sagen, Sie müssen neue Fahrkarten kaufen."
Also noch einmal die Prozedur am Automaten. Als wir wieder in die Halle des Sackbahnhofs kommen, zeigen die Security-Leute, die unser Schicksal beobachtet haben, auf das vorderste Gleis. Dort steht schon der Zug bereit, wir steigen ein und können im Waggon die zehn Minuten bis zur Abfahrt warten.

Der Zug fährt streckenweise fast 200 km/h und hält nur an wenigen Bahnhöfen. In Santiago angekommen, geht es vom Bahnhof immer bergauf bis zur Altstadt mit den schmalen Gassen ohne Autoverkehr. In einem Torbogen neben dem Platz der Kathedrale konzertiert ein Dudelsackspieler. Dudelsack? Schottland? Nein, das Aufblasinstrument ist auch in der Bretagne und in Galizien heimisch, eben da, wo in grauer Vorzeit die Kelten ansässig waren. 

Dann erreichen wir endlich den Platz vor der Kathedrale, der für die Pilger auf dem Jakobsweg das Ziel ihrer Reise zu sich selbst bedeutet. Die meisten sind völlig platt, aber glücklich. Neu Eintreffende werden mit Jubel und Beifall begrüßt. Einige kommen auch mit dem Fahrrad. Alle haben sehr leichtes Gepäck dabei, außer den Klamotten auf dem Leib nur einen eher kleinen Rucksack. All das zu sehen macht Mut, den Jakobsweg selbst einmal "zu begehen". Aber unser Weg mit dem Boot fast einen Monat lang über den Atlantik wird ja eigentlich so etwas Ähnliches.

Kathedrale im Goldrausch

Kathedrale im Goldrausch

Das Innere der Kathedrale ist ausgesprochen beeindruckend, der Altarraum aber nicht unser Geschmack: zuviel Gold! Besuchergruppen mit und ohne Touristenführer strömen hindurch, natürlich mit Corona-Maske. Gunst der Stunde: Der Stuhl/Sitz des Bischhofs wird durch ein kreisrundes Fenster im Seitenschiff wie als Spotlight von der Sonne beschienen. Da hat der Baumeister einen guten Job gemacht.

Kathedrale dürfen sich übrigens nur solche Gotteshäuser am Amtssitz eines Bischhofs nennen: Kathedra ist das Lesepult des Bischhofs (Anm. d. Klugscheißers).

Schon nach einer Viertelstunde sind wir wieder draußen. Hunger macht sich breit. Wir schlendern durch die Gassen mit den Touristenmenü-Fallen. Besser eine Nebengasse wählen? Die Bewertungen bei Google Maps verraten uns, wo es gut und günstig ist. Tatsächlich, günstig stimmt, und geschmeckt hat der Snack auch. Eine spanische Spezialität , eine Art Kroketten mit cremigem Inhalt, überzeugt mich allerdings nicht wirklich, Merle schon.

Der Rückweg zum Bahnhof geht per Roller recht einfach, weil immer bergab. Die Bahnfahrt geht angenehm schnell, der Heimweg zur Marina ist dank der Roller ebenfalls zügig bewältigt.

Rathaus aus einer Seitengasse

Rathaus aus einer Seitengasse

Zurück an Bord hören wir auf dem Steg neben uns ein deutliches "Moin!". Das kommt häufig vor, denn an unserem Schiff steht als Heimathafen Bremerhaven. Hier in Spanien mutet das allerdings ungewöhnlich an. Ein deutsches Paar kommt mit uns ins Gespräch, wir erklären, dass Bremerhaven der Geburtsort meiner Frau Solveig ist und wir eigentlich aus Hannover kommen.
"Wir auch!"
"Naja, eigentlich aus dem Speckgürtel von Hannover."
"Wir auch! Woher denn genau?"
"Burgwedel"
"Wir auch!"
"Das gibt's doch garnicht! Da reist man ans andere Ende von Europa und trifft Leute aus dem eigenen Ort - unglaublich..."
Mit der "Tangaroa" ist das Paar in einem Sabbatjahr unterwegs, wie wir auch mit Ziel Karibik. Zusammen mit "Vixen" und "Snorre" bildet die Tangaroa eine deutsche Enklave am Ende des Steges.

Mit Malu, der Bordfrau der "Civetta" (italienisch: "Eule" oder auch "etwas durchgeknallte Frau"), komme ich vor den Marina-Waschmaschinen ins Gespräch. Während der langen Wasch- und Trocknerlaufzeiten tauschen wir das Woher und Wohin aus und philosophieren über das Segeln und die Motivationen dazu. Malu erkennt bei meinen Ausführungen über die Bootsausrüstung genau die Ansichten ihres Mannes wieder.

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Herkulesturm von fern

Merle will Strand. Beim Jogging am ersten Tag in A Coruña hat sie einen süßen kleinen gefunden. Mit Badetuch und Buch bewaffnet macht sie sich auf den Weg.

Am Eingang zur Bucht steht ein Leuchtturm, dessen Wurzeln auf die Römer zurückgeht. Man kokettiert daher damit, dass es der älteste noch intakte Leuchtturm weltweit sei. Nun ja, rollere ich doch mal hin.

Hinkelsteine

Unterwegs gibt es Kunst am Denkmal zu bestaunen: Obelix war hier. Jedenfalls lassen es die Hinkelsteine am Ufer vermuten. Wie ich schon sagte: die Kelten! Die Löcher darin lassen allerdings auf einen Obelix-Mutanten bzw. auf eine Weiterverarbeitung des Obelixschen Rohmaterials schließen.

Stonehenge in A Coruña?

Ein paar Schritte weiter wähnt man sich in einer Mini-Ausgabe von Stonehenge. Hier wird an eine Sturmflut mit vielen Toten erinnert.

Herkulesturm nah

Der Herkulesturm steht vom Sturm umtost vierkant auf einer Anhöhe. Eintrittskarten gibt es weiter unten am Schalter. Die spare ich mir und nehme mit dem Äußeren vorlieb. Und was zählt schließlich bei einer Immobilie? Richtig, die Lage. Die ist imposant. Unterhalb des Turms werden ein paar Klippen von Brechern in hohe Gischtwolken eingehüllt.

Windrose

Zwischen Turm und Klippen erstreckt sich eine riesige Windrose als Bodenmosaik. Oben auf der Grundplattform des Turms gibt es eine Stelle, an der mir von den Windverwirbelungen ständig das T-Shirt bis zur Brust hochgeweht wird. Marilyn Monroe mit ihrem weißen Kleidchen über dem U-Bahn-Schacht hätte ihre helle Freude daran.

Windrose

Merle hat sich für die Richtung Jakobsmuschel entschieden.

Sozialer Wohnungsbau galizisch

Wendet man den Blick landeinwärts, ernüchtert der Ausblick auf sozialen Wohnungsbau in galizischer Ausprägung. Ich will die mehr oder weniger gastliche Stätte verlassen, da kommt mir Merle entgegen. Der Mini-Strand hat sich als sehr zugig erwiesen, der vom Wind aufgewirbelte Sand hat ihr das ganze Strandidyll verhagelt. Wir setzen das Fotoshooting auf der Windrose noch ein wenig fort und machen uns dann auf den Heimweg zur Marina, mit dem Roller fast nur bergab - lässig!

Palmenallee

Palmenallee in A Coruña

Dort wird klar: Solveig hat nach langer Recherche einen Flug nach Porto gebucht, um in den Herbstferien zu uns zu stoßen. Wie schön! Allerdings nach Porto, und wir sind in A Coruña. Bis Porto sind es mit dem Boot knappe zwei Tage. 

Merle mit Rathausturm durch Gasse

Eine Seitengasse blickt auf einen der Rathaustürme

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Merle joggt, ich habe immer irgendetwas zu reparieren, zu basteln, in Ordnung zu bringen. 

Wir machen einen letzten Stadtbummel auf der Suche nach einer Tapas-Bar, um uns kulinarisch von A Coruña zu verabschieden. Allerdings sind wir mal wieder zur falschen Zeit unterwegs. Es ist erst halb sieben, die meisten öffnen aber erst um halb acht oder acht. Bewertungen bei Google Maps werden wieder und wieder verglichen. Haben wir uns etwas ausgesucht, ist es entweder wegen Nach- oder Nichtsaison gänzlich geschlossen, oder die bei Google Maps zu lesenden Öffnungszeiten sind nicht aktuell. Irgendwann geben wir auf und bereiten in der eigenen Pantry das Abendessen.

glattes Wasser

Wind und Welle sind abgeflaut

Freitag, 22. Oktober 2021

Wir machen uns reisefertig. Alles, was lose ist, wird fest verstaut. Am frühen Nachmittag legen wir ab. Als wir bei "Vixen" vorbeifahren, winken die beiden Skipper von "Vixen" und "Tangaroa" heftig: "Wir sehen uns in Porto!" Beide Schiffe wollen noch einen Tag warten, denn draußen vor Kap Finisterre (lateinisch: Das Ende der Welt) steht noch eine imposante Welle von den vergangenen Starkwindtagen.

Als wir aus der Bucht auf den offenen Atlantik kommen, wird uns klar, was die beiden zögern ließ. Macht aber nichts, Joli Ame hat schon die Ausfahrt von Oostende weggesteckt. Außerdem sollen Wind und Seegang zur Nacht hin schwächer werden. Werden sie auch. Sogar so schwach, dass wir schließlich die Maschine anwerfen müssen, weil wir sonst zu langsam wären, um rechtzeitig am Sonntagnachmittag auf dem Flughafen in Porto zu sein.

Korrosion

Alles, was nicht V4A Edelstahl ist, rostet in der Salzwasserumgebung schnell weg. Hier die Kettchen an den Deckeln für Kabeldecksdurchführungen.

Samstag, 23. Oktober 2021

Entlang der Küste geht es weiter südwärts ohne besondere Vorkommnisse. Unsere Berechnungen ergeben: Wenn wir am Sonntagvormittag in Porto zur Marina Douro wollen, sollten wir etwa um zwölf Uhr an der Flussmündung sein, damit wir mit der Flut Schiebestrom haben. Am Samstagabend segeln wir im ersterbenden Abendlüftchen in den Sonnenuntergang. Segeln wir mit zwei Knoten weiter, kommen wir zu spät an. Werfen wir die Maschine an, sind wir zu früh dort. Ein paar Stunden vor der Douro-Mündung gibt es den Hafen Povoa de Varzim. Die Bewertungen in der App "Navily" sind mittelmäßig. Egal, für ein paar Stunden Schlaf an irgendeinem Steg wird es reichen.

Sonnenuntergang vor Povoa de Varzim

Sonnenuntergang mit Vorsegel. Unten eine Spezialität von Island Packet: der sogenannte Hoyt-Baum, macht das kleine Vorsegel zur Selbstwendefock.

Es ist nach zehn, als wir den erreichen. Stockfinster, in der Einfahrt baggert der Schwimmbagger die Fahrrinne frei: Ein hell beleuchtetes Monster aus Getöse und Wasserverwirbelungen. Es gibt zwei verschiedene Steganlagen. Wir entscheiden uns intuitiv für die rechte, finden einen Platz an einem Steg, machen fest, Maschine Stopp, Ruhe. Keine Menschenseele weit und breit. Wo wir angelegt haben, gibt es keinen Strom, kein Wasser. Der Steg ist mit einem Gittertor landseitig abgesichert. Wir können also nicht an Land. Also schnell schlafen, damit wir morgen um sieben wieder starten können, denn dann erreichen wir mit gutem ablandigen Wind rechtzeitig um zwölf die Douro-Mündung.

Ich liege schon fast, da klopft es. Ein älterer Herr fragt streng, warum wir nicht drüben an den anderen Stegen festgemacht haben, die hier seien doch für kleinere Boote. Außerdem macht das Marinabüro um neun Uhr auf, bis dahin müssten wir warten mit der Abreise, damit wir bezahlen können.

Sonniger Morgen

morgendlicher Landwind zwischen Povoa de Varzim und Porto

Sonntag, 24. Oktober 2021

Im Morgengrauen fährt ein Kleinbus vorbei, sonst keine Menschenseele zu sehen. Der Landzugang ist immer noch vergittert. Ich überlege: Wir haben weder Strom noch Wasser nutzen können, Sanitäranlagen waren nicht erreichbar. Das einzige, was wir in Anspruch genommen haben, sind die Poller am Steg zum Festmachen. Den Steg haben wir nur zu diesem Zweck betreten. Also komm, halb sieben, Leinen los und weiter.

Einfahrt nach Porto

Einfahrt nach Porto auf dem Douro

Tatsächlich liefert uns der morgendliche Landwind eine angenehme Brise, sodass wir bis vor die Douro-Mündung angenehm segeln können. Pünktlich um zwölf schiebt uns ein Strom von ca. 1,5 Knoten hinein, zwischen Anglerbooten und trainierenden Regattayachten hindurch.

Wir haben mithilfe eines Marineros im Schlauchboot kaum festgemacht, stehen zwei Uniformierte auf dem Steg und fragen höflich, aber bestimmt nach: Wir hätten in der Marina Povoa de Varzim nicht die Marinagebühr bezahlt. Der Wortführer nimmt meine Begründung (siehe oben) nickend entgegen: "We understand your position." Trotzdem weisen sie freundlich darauf hin, dass wir die Gebühr noch zu bezahlen hätten. Das Prozedere mit Austausch von E-Mail-Adressen und IBAN gestaltet sich angesichts Corona-Maske und ständig beschlagener Sonnenbrille recht schwierig. Schließlich kürze ich ab und überweise per Handy direkt auf das Konto der Marina, mache einen Screenshot der Überweisungsbestätigung und sende es per E-Mail an das Marinabüro. Die beiden Uniformierten - wir haben nicht wirklich erkennen können, ob das jetzt Polizei, Küstenwache, Hafen-Security oder sonst was war - sind zufrieden und verabschieden sich höflich und im besten Einvernehmen.

Die junge Dame in der Marina-Rezeption wickelt erst den Check in ab und überschüttet mich anschließend mit einem Schwall an Informationen zum Stadtplan, wo einkaufen, welche Sehenswürdigkeiten, wo Portweinverkostung und und und. Meine Aufnahmevermögen ist etwas überfordert, aber besser so als null Infos.

Dann heißt es Großreinemachen, Solveig kommt am Nachmittag mit dem Flieger. Bis dahin muss alles tiptop sauber sein! Der Rucksackstaubsauger "Ghost Buster" rüsselt bis zur Erschöpfung, es wird gewischt und gewienert. Fertig? Ja, auch mit den Nerven. Jetzt schnell noch duschen, und dann ab zum Flughafen. Wir wollen doch nicht zu spät kommen!

Die Duschen sind eigentlich elegant angelegt, haben aber schon bessere Zeiten erlebt. Das Zugangssystem zu den Stegen mit Chipkarten ist gerade defekt, es ist Wochenende und eine Reparatur erst am Montag möglich.

Merle hat irgendwo gelesen, dass es ein Dreitageticket als Netzkarte gibt. Die wollen wir ab morgen für drei Personen. Gibt aber am Automaten nur Netzkarte für 24 Stunden. Auf dem Flughafen erfahren wir in der Touristeninformation, dass es das Dreitageticket nur hier gibt. Also bitte drei Stück...

Dann warten wir noch ca. eine Dreiviertelstunde. Es kommen gefühlt unendlich viele deutsch aussehende Menschen aus dem Ankunftsausgang. Endlich, Solveig ist da! Welche Freude!

Mit ihrem Handgepäckskoffer im Schlepp geht es zur U-Bahn. Am Umsteigebahnhof ist "unser" Bus gerade weg, wir müssen eine gefühlte Ewigkeit auf den nächsten warten. Wie hieß es damals auf Jamaika: "Next Bus soon come". "Soon" ist sehr dehnbar.

Unsere Ausstiegshaltestelle liegt zappenduster direkt an einer Schnellstraße. Zwei Mädels, die auch dort aussteigen, queren wild die vierspurige Straße. Wir ziehen es vor, den sichereren Weg über eine Brücke zu nehmen, auch wenn der weiter ist. Den zermürbend langen Fußweg bis zur Marina kennen Merle und ich schon, aber Solveig wundert sich.

Erstes Abendessen in Porto

Vorn Sirloin Steak, hinten Bacalhau

An Bord angekommen haben alle Hunger. Es ist tatsächlich auch mal die richtige Tageszeit. Allerdings befürchten wir: Sonntagabend? Da ist doch wieder alles reserviert! Aber wir haben Glück. Ein Restaurant keine 300 Meter von der Marina hat Platz für uns. Weiße Tischdecken, Bedienung in weißen Hemden, das sieht teuer aus. Der Blick auf die Karte offenbart aber akzeptables Preisniveau. Die Sprachbarriere macht die Bestellung etwas abenteuerlich, aber mit Händen und Füßen geht es. Allerdings gestaltet sich die Entscheidung der beiden Damen für das richtige Gericht wie üblich zeitintensiv.

Ich entscheide mich für das Nationalgericht, Bacalhau. Das ist Kabeljau mit unterschiedlichsten Beilagen. Es heißt, es gebe in Portugal mehr Rezepte für Bacalhau als Tage im Jahr. Mein Rezept jedenfalls ist super. Die Damen haben sich schließlich für Sirloin-Steak in Knoblauchsauce entschieden - da macht man nichts falsch.

Solveig und Merle bei ieblingsbeschäftigung

Die Damen bei ihrer Lieblingsbeschäftigung. Im Vordergrund die batterieelektrische "Fake-Kerze".

Satt und müde nach einem langen, ereignisreichen Tag nehmen wir in Ermangelung alkoholischer Getränke keinen Absacker an Bord. Mit den Fingern auf dem Smartphone nicken beide Damen sanft ein. 

Brücke in Porto

Brücke über den Douro

Montag, 25. Oktober 2021

Als ich am Morgen an Deck komme, höre ich Rufe: "Hallo Volker!" Häh, wer kann das sein? Na klar, am Nachbarsteg hat die "Vixen" festgemacht, ein paar Boxen weiter "Tangaroa".

Heute steht Sight Seeing in Porto an. Weil wir zuerst zu der berühmten Brücke wollen, weist Merle uns den Weg zu einer anderen Buslinie, die durch die Stadtteile südlich des Douro führt. Wenn es hier Milchkannen gäbe, würde der Bus an jeder halten. So aber kurven wir durch Vororte mit engen und engsten Straßen, bei denen links und rechts vom Rückspiegel gefühlt nur zwei Handbreit Platz bis zur Hauswand sind. Passt aber, kein Wunder, wenn der Busfahrer die Route ständig zu fahren hat.

Mutter und Tochter auf der Brücke

Mutter und Tochter auf der Brücke - eine schöner als die andere

Nach dieser langen Irrfahrt kommen wir tatsächlich bei einer Metro-Station an, die ganz nah der Brücke liegt. Und da ist sie, erbaut aus Stahl wie der Eiffelturm in Paris. Auf dem südlichen Ufer zahllose Portwein-Kellereien mit Verkostung, auf dem nördlichen die Altstadt und das Zentrum. Die untere Ebene der Brücke liegt auf Uferniveau, die obere auf Höhe des Stadtzentrums mit Schienen für die Metro. Unten ist Baustelle, für den Fußgängerverkehr aber geöffnet, oben schweift der Panoramablick über den ganzen Fluss und Teile der Stadt.

Porto Südufer

Südufer des Douro mit den vielen Portwein-Kellereien und deren Verkostungsläden. Historische Boote mit großen Fässern.

Nordufer mit Altstadt

Nordufer mit Altstadt. Uferzeile Ribera mit vielen Restaurants und Bars, Flaniermeile mit Straßenmusik. Im Fluss hinten links um die Ecke liegt die Marina.

Baguettes im Mini-Reasaurant

Baguettes in der besten Baguetterie überhaupt weit und breit

In einer winzigen Gasse finden wir ein ebenso winziges Restaurant. Google Bewertungen sagen: die besten Baguettes weit und breit. Wartende davor, die wegen besetzter Tische noch nicht rein dürfen.

Platz ist auch Mangelware. Links eine Reihe mit Vierer-Tischchen, rechts ein Wandbord mit Barhockern, hinten die Küche. Als wir endlich erwartungsvoll Platz nehmen konnten, überzeugt uns das Angebot. Super belegt, super Atmosphäre, alles sehr liebevoll gemacht. Die Wandverkleidung: alles alte Türen, abgewetzt vom Zahn der Zeit, vermutlich bei Altbaurenovierung übrig geblieben.

Wände als Tafel für Grußbotschaften

Toilettenwand als Message Board

Solveig kommt vom Örtchen zurück und sagt: "Das müsst ihr euch ansehen!" Tatsächlich: Die Wände sind mit dunkelgrauer Farbe gestrichen, daneben liegt Kreide für die persönliche Grußbotschaft der Gäste. Hygiene egal, Idee sehr schön.

Nordufer vom Südufer aus gesehen

Nordufer vom Südufer aus gesehen



Nach dieser langen Sight-Seeing-Tour zu Fuß haben wir noch knappe vier Kilometer am Südufer entlang zur Marina vor uns. Die Füße werden immer schwerer, aber eine gescheite Verbindung mit Bus und Bahn gibt es nicht, der Fußweg ist noch am schnellsten. Das Dreitageticket hätten wir uns allerdings sparen können. Immerhin kennen wir jetzt den Weg für morgen zur Portweinverkostung - wieder die gleichen knappen vier Kilometer!

Salat, Rotwein, Fake-Kerze auf der "Terrasse"

Nach diesem anstrengenden "Wandertag" haben wir unser Abendessen gründlich verdient. Auf der "Terrasse" mit Ausblick auf die hell erleuchtete City auf dem anderen Ufer schnabulieren wir einen köstlichen Salat.

Douro-Brücke am Abend

Panorama beim Abendessen: die große Autobrücke über den Douro bei Dunkelheit

Marsch an der Douromündung

Merle joggt durch die Marschen der Douro-Mündung

Dienstag, 26. Oktober 2021

Heute steht zuerst ein Großeinkauf im Supermarkt auf dem Plan. Solveig und ich machen uns auf den 20minütigen Fußweg bergauf, ausgerüstet mit Taschen und Rucksäcken. Zurück geht es zwar bergab, aber voll bepackt mit Lebensmitteln haben wir ordentlich zu schleppen, wir kommen tüchtig ins Schwitzen.

Merle kommt auch ins Schwitzen. Sie joggt Richtung Strand und erkundet die unbebauten Teile der Douro-Mündung.

Fässerreihe in Portwein-Kellerei

Fässer, Fässer, Fässer

Am Nachmittag sind wir mit den Crews von "Tangaroa" und "Vixen" zur Portweinverkostung verabredet. Die Marina hat ein Arrangement mit Churchill's, für Marina-Gäste ist die Verkostung und Führung kostenlos. Wie so oft sind wir spät dran und müssen die vier Kilometer teilweise laufen, um pünktlich zu sein. "Tangaroa" hat es besser gemacht und ist nach Sight Seeing in der Stadt auf dem Rückweg, also lässig schon da. Wir hätten uns aber nicht so beeilen müssen, denn "Vixen" kommt mit 20 Minuten Verspätung.

drei Ports zur Verkostung

Drei Portweine zum Verkosten

Der junge Mann von Churchill's schenkt uns drei verschiedene Ports ein und erklärt in etwas gewöhnungsbedürftigem Englisch die Unterschiede der edlen Tropfen und die Geschichte des Portweins und der Kellerei. Die Führung durch die Lagerräume ist beeindruckend. Zu sehen und zu hören, dass die Eichenfässer vorher schon jahrzehntelang in Frankreich Rotwein enthalten haben, dann hierher verkauft wurden und nun für mehr als zehn Jahre den Portwein reifen lassen, ist hochinteressant. Wir bedanken uns höflich, aber nur "Vixen" kauft ein paar Flaschen als Weihnachtsgeschenk für die Eltern daheim.

Sonnenuntergang über der Douro Mündung

Letzter Abend in Porto, Sonnenuntergang über der Douro-Mündung

Churros von Dolores

Churros von Dolores

"Tangaroa" hat uns ein familiäres Fischrestaurant im Viertel vor der Marina empfohlen. Zu Recht. Der Teenager-Enkel des Familienoberhauptes zeigt uns draußen vor der Tür schon die Karte. Der Sohn, geschätzte 50, weist uns den Tisch an, nimmt unsere Bestellung entgegen und versorgt uns vorbildlich, gern mit einem Scherz verbrämt. Zum Schluss geht es zur Kasse, wo der Boss abwinkt: Keine Kreditkarte, nur Cash. Familienbetrieb eben.

Auf dem Rückweg zur Marina sind wir allabendlich bei Dolores vorbeigekommen. Ihr Churros-Stand ist hell erleuchtet wie eine Kirmesbude, nein, es ist eine Kirmesbude, nur ohne Kirmes. Am letzten Abend holen wir uns eine große Portion des frittierten Teigs, dick mit Puderzucker überstreut. Lecker, aber doch ganz schön süß - und fettig. Aber lecker. Zu süß. Egal, lecker!

Der Skipper
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