Brücke und Christusstatue

Brücke über den Tejo, Christusstatue auf dem gegenüber liegenden Ufer

Montag, 01. November 2021

Bis wir seeklar sind, braucht es eine Weile. Alles, was runterfallen kann, muss daran gehindert werden. Seeventile der Waschbecken müssen geschlossen werden, Luken dicht usw.

Um uns herum herrscht reges Treiben, denn heute wird die alljährliche Schiffahrtsregatta ausgetragen, DAS Ereignis des Jahres für die Lissabonner Segler. Unnötiger Ballast in Form von Kisten und Kästen, Planen und was sonst noch schwer ist und bei der Regatta nicht gebraucht wird, wandert auf den Steg. Die teilnehmenden Yachten werden mit einem bestimmten Wimpel gekennzeichnet. Auf den beiden Nachbarbooten wird akribisch vorbereitet. Ein Skipper von gegenüber erklärt mir, er habe in den vergangenen Jahren immer gesiegt, deshalb haben alle anderen Angst/Erfurcht vor ihm. Nun ja, abgerechnet wird im Ziel.

durch ohne Schrammen

Erstaunlicherweise hat der Mast wieder unter der Brücke durchgepasst - ein Wunder!

Heute ist Feiertag und obendrein Regattatag. Deshalb ist die Brücke über die Einfahrt zum Hafen den ganzen Tag geöffnet, wir haben freie Durchfahrt ohne Wartezeit.

Es ist wirklich merkwürdig. Wer mit einem Segelboot unter einer Brücke hindurch fährt, bangt jedesmal, ob die Brücke hoch genug für den langen Mast ist. Das liegt an der Perspektive. Vor der Brücke sieht es nämlich tatsächlich für das ungeübte Auge so aus, als würde der Mast oben anschlagen. Selbst, nachdem ich noch einmal auf der Seekarte die Brückenhöhe gecheckt habe, geht unmittelbar vor der Brücke der Puls hoch. Hier aber konnte nun wirklich nichts passieren, schließlich haben wir vor ein paar Tagen ja in der Gegenrichtung locker durchgepasst.

Wir kommen am Regattafeld vorbei, besser gesagt: Wir müssen mitten durch die Rennteilnehmer hindurch. Eine komplett durchgesylte Yacht - alle Crewmitglieder haben die gleichen Klamotten an - liegt weit vorn. Wir lassen sie vor uns passieren, ich zeige dem Mann am Ruder den Daumen hoch. Er zieht seine Mütze und verbeugt sich kurz. Zum Dank? Oder als Anerkennung, dass wir von Deutschland den weiten Weg hierher gesegelt sind, was ja durchaus eine stramme seglerische Leistung ist? Ich denke mir, beides.

Gleich darauf passieren wir hinter einer ebenfalls in Führung liegenden Yacht. Wer nun tatsächlich vorn ist, lässt sich beim Segeln manchmal schwer erkennen. Zu bestaunen ist aber, dass es sich hier um unsere Stegnachbarn handelt, eine bunt gemixte Mann- und Frauschaft aus fast allen Altersgruppen. Ohne Crewdress und Schickmick geht es eben auch. Sie sind allerdings so auf ihre Regatta konzentriert, dass sie von uns als Stegnachbarn keinerlei Notiz nehmen.

Entlang der Küste geht es ohne besondere Erlebnisse südwärts. Die Nacht verläuft wie gehabt, Merle und ich wechseln uns mit den Wachen im Rhythmus von drei bis vier Stunden ab. Solveig schläft selig in der Koje.

Sonnenaufgang mit Delfin

Sonnenaufgang mit Delfin

Dienstag, 02. November 2021 und
Mittwoch, 03. November 2021

Weil der Wind uns mal wieder im Stich lässt, muss im Morgengrauen die Maschine herhalten. Vorher haben wir aber eine immer willkommene Begleitung. Was die Meeressäuger dazu bewegt, mit dem Boot mitzuschwimmen? Keine Ahnung. Vielleicht ist es der Spiel- und Jagdtrieb. Hunde laufen z. B. gern fremden Radfahrern hinterher. Oder wir geben uns der Illusion hin, dass die Delfine die Gegenwart von Menschen genießen. 

Ungefähr um 10 Uhr runden wir die südwestlichste Ecke von Europa. Gleich daneben liegt Lagos, und zwar das Original. Die Kopie ist die (ehemalige) Hauptstadt des afrikanischen Staates Nigeria.

Felsenküste der Algarve

Berühmte zerklüftete Felsen der Algarve vor Lagos

Als wir um die Ecke zur Einfahrt nach Lagos biegen, sehen wir sie: die berühmten zerklüfteten Felsen mit Mini-Stränden dazwischen. Schon von Joli Ame aus ist der Anblick berauschend, das müssen wir uns später aus der Nähe ansehen.

Anfrage an den Yachthafen: "Nein, wir sind brechend voll und haben keinen Platz für Ihr Boot!" Das ist doch zum Mäuse melken... Aber direkt neben der Mole an der Hafeneinfahrt liegt ein Sandstrand. Davor ankert es sich ganz passabel. Also gut, immehin keine Hafengebühr. Aber der Strom, der aus unseren Solarpanelen und dem Windgenerator kommt, muss für alles reichen, eine Bewährungsprobe für das Energiemanagement!

Felsen vom Schlauchboot aus

Felsen vom Schlauchboot aus

Bewährungsprobe auch erstmals für den neuen Elektro-Außenborder am Schlauchboot. Geschwindigkeit vorwärts/rückwärts lässt sich gut dosieren, und vor allem: schön leise und stinkt nicht nach Abgas! Wenn der Akku dann noch von der Photovoltaik an Bord aufgeladen wird, ist das obendrein komplett emissionsfrei, mal abgesehen von der Herstellung.

Wir können uns kaum sattsehen an den Grotten und Winkeln zwischen den senkrechten Felswänden. Der Genuss wird etwas getrübt durch die zahllosen Ausflugsboote, die mit Affenzahn an uns vorbeibrettern. Aber auch diese Touristen wollen, genau wie wir, dieses Naturschauspiel bewundern. Wer sind die besseren Touristen, die oder wir? 

Wir fragen per Funk noch einmal beim Hafen nach: nein, kein Platz.

Unser Dinghi am Strand von Lagos

Unser Dinghi einsam am Strand

Donnerstag, 04. November 2021

Wir wollen unsere Essensvorräte aufstocken und uns auch mal ansehen, was da jenseits des Strandes liegt, auf den wir tagtäglich schauen. Also mit Einkaufstaschen und Rucksack rein ins Schlauchboot. Wie kommt man aber am Strand mit kleinen Wellen da wieder raus, ohne klatschnass zu werden? Ja, man muss mit den Füßen ins Wasser, anders geht es nicht. Gerade will ich das Schlauchboot an den Griffen auf den Strand ziehen, kommt die nächste Welle und wirft das Schlauchboot so gegen mich, dass ich hinfalle und mit dem Bootsboden meine Knöchel aufschramme. Es blutet, aber immerhin ist meine hoch gekrempelte Hose nicht nass geworden. 

Wir wandern an Bootshallen und Werftbetrieben vorbei, bis wir zum Yachthafen kommen. Tatsächlich sehen wir keinen freien Liegeplatz. In der Rezeption ernten wir Kopfschütteln, auch reservieren geht nicht. Aber hübsch ist der Hafen schon.

Mit Einkäufen zurück zum Schiff

Mit Einkäufen zurück zum Schiff

Wir finden den Supermarkt Pingo Doce und darin vieles, was unser Herz begehrt. Wieder gut bepackt geht es zurück zum Strand. Wir machen uns Sorgen, ob unser Schlauchboot wohl noch da ist, denn wir konnten es am Strand ja nirgendwo anschließen. Wir erklimmen gespannt die Düne und: Juhu, es ist noch da! Einkäufe rein, Menschen rein, und dann wieder bei kleiner Welle unfallfrei vom Strand wegkommen - gar nicht so einfach. Nasse Füße gehören nun mal dazu.

Per Email hatten wir im Nachbarhafen Portimao nach einem Liegeplatz gefragt. Jetzt ist die Antwort da: Ja! Wir nehmen dankbar an und reservieren: Wir sind in einer Stunde da!


Hafeneinfahrt von Portimao

Hafeneinfahrt von Portimao

Tatsächlich läuft Joli Ame bei frischem Wind von schräg hinten und glattem Wasser flott los. Im mondänen Yachthafen angekommen, tanken wir erst einmal ca. 400 Liter Diesel auf, denn wenn wir Portimao verlassen, geht es über mehrere Tage nach den Kanarischen Inseln. Wie da so die Tanklage und die Preise sind? Was man hat, hat man. Mit dem Tankwart tausche ich mich nett über Temperaturen aus, ihm ist saukalt heute. Stimmt, der kühle Nordwestwind lässt frösteln. Aber kein Vergleich zu unserem Zuhause. Da muss der Tankwart zustimmen, wir lachen beide.

Sonnenuntergang am Strand Praia de Rocha

Sonnenuntergang am Strand Praia de Rocha

Auf der Suche nach einem Abendessen finden wir im benachbarten Touri-Stadtteil Praia de Rocha einen illustren Italiener und gönnen uns eine riesige Pizza für jeden. In der Fußgängerzone reiht sich eine Bierbar an die andere, die meisten besetzt von Briten im Urlaubsmodus. Wir kennen das Bild vom hässlichen Deutschen im Urlaubsausland. Hier gibt es das Pendant von der Brexit-Insel zu besichtigen.

Yachthafen mit Ferienäusern davor

Yachthafen mit Ferienäusern davor

Freitag, 05. November 2021

Heute ist Arbeitstag. Wäsche waschen in den Gästewaschmaschinen und Trocknern der Marina, Wetterdaten downloaden, schrauben, seefest stauen. Morgen wollen wir nämlich zur Überfahrt nach den Kanarischen Inseln starten: Mehrere Tage unterwegs auf See für über 500 Seemeilen, das sind über 900 Kilometer.

Nach getaner Arbeit haben wir Hunger. Wir nehmen wieder den Weg nach Praia de Rocha. Leider beginnt das Spiel mit Bewertungen von Restaurants bei Google Maps aufs Neue. Nach zahllosen Irrungen landen wir in einem winzigen, aber sehr kreativ eingerichteten Burgerrestaurant, das von jungen Leuten betrieben wird. Es liegt etwas versteckt, eben nicht an der Hauptfußgängerzone. Die Burgerkreationen muten recht exotisch an und munden herrlich.

Heute feiert meine Mutter ihren 89. Geburtstag. Noch auf der Promenade von Praia de Rocha rufen wir an, singen ein Ständchen und lassen uns von der total aufgekratzten Seniorin erzählen, wie ihr Tag war. Sie ist wieder mal verblüfft, dass man über dreitausend Kilometer hinweg telefonieren kann, als wären wir nebenan, eine Straße weiter.

Solveig winkt zum Abschied

Solveig winkt zum Abschied

Samstag, 06. November 2021

Heute heißt es Abschied nehmen von Solveig. Wieder nehme ich den Fußweg Richtung Praia de Rocha, diesmal zur Autovermietung. Über Check24 habe ich einen Kleinwagen für schlappe 28 Euro pro Tag gebucht. Die Vermietungsfirma öffnet um 9 Uhr. Denkste. Wir sind nicht in Deutschland. Als um 10 nach neun die Tür immer noch verschlossen ist, rufe ich an. Die Antwort einer Dame kommt forsch: "Wir sind noch in der Garage und kommen gleich." Portugisische Freundlichkeit...

Weitere zehn Minuten später erscheint tatsächlich ein Mann, schließt die Tür auf. Dann beginnt der Papierkrieg. Ich hatte bereits bei der Online-Buchung eine Versicherung für alles eingebucht. Der Mann hinterm Tresen möchte mir aber noch eine Rundum-Sorglos-Versicherung für ca. 30 Euro verkaufen. Als ich verneine, wird er sehr bestimmt im Tonfall: "Wenn da nur EIN Kratzer am Wagen ist, muss ich das an Sie berechnen!" Jaja, schon gut.

Eine halbe Stunde später bin ich endlich wieder draußen, puh! Der Wagen ist eine Klasse größer als gebucht, hatten wohl keinen ganz kleinen da. Komfortabel ausgestattet mit z. B. Rückfahrkamera, aber kein Navigationssystem. Macht nichts, habe ja das Handy mit Google Maps drauf. Am Yachthafen kann ich ganz nah an unserem Liegeplatz parken.

Wir nehmen nicht die mautpflichtige Autobahn. Auf der Landstraße durch die Dörfer dauert die Fahrt zwar doppelt so lang, aber man sieht mehr von Land und Leuten. Die Stimmung ist gedrückt, denn schließlich werden wir uns wieder für längere Zeit nicht sehen.

Nach einer knappen Stunde am Flughafen Faro angekommen, heißt es unter Tränen Abschied nehmen. Abschiedskuss am Gate mit Corona-Maske ist nicht wirklich romantisch. Hoffentlich klappt ein Wiedersehen während der Weihnachsferien in der Karibik.

Auf dem Hinweg habe ich bereits nach der günstigsten Tanke Ausschau gehalten. Genau da halte ich. Offenbar wissen auch andere, dass der Sprit hier besonders preiswert ist, ich muss gefühlt fünf Minuten warten, bis ich zapfen kann. Weiter geht die Fahrt.
Bei der Autovermietung ist vor der Tür kein Parkplatz frei. Ich fahre einmal um den Block und finde eine sehr enge Lücke. Quasi mit dem Schuhanzieher quetsche ich den Wagen hinein, dank des Parkpiepers ohne Schrammen. Viel Spaß wünsche ich demjenigen, der den Wagen wieder ausparken muss.

Dann muss ich wieder geduldig sein, vor mir warten diesmal drei Kunden. Als ich endlich dran bin, fragt der Angestellte, wo der Wagen sei. Um die Ecke. Nein, das ginge nicht, ich möge vor die Tür fahren. Aber da ist kein Parkplatz frei! Doch, der Kunde vor mir ist mit seinem Mietwagen gerade weggefahren. Ätsch, jetzt darf ich selbst meinen Wagen wieder aus der engen Lücke heraus bugsieren. Wer andern eine Grube gräbt...

Inzwischen ist Mittag. Die Yachthäfen handhaben sehr unterschiedlich, wann man den Hafen verlassen haben muss, bevor eine weitere Nacht gebucht werden muss. Ich haste zur Rezeption, checke aus und frage, wie lange wir noch Zeit haben. "Relax!", bleiben Sie entspannt, antwortet die freundliche Dame. Die Freundlichkeit des hiesigen Marinapersonals wird zurecht sehr positiv beurteilt.

Wieder ist es nachmittags um kurz vor fünf, als wir die Maschine starten, die Leinen loswerfen und Kurs auf die Hafenausfahrt nehmen. Auf geht's, auf Wiedersehen Europa in ein paar Monaten!

Der Skipper
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